Donnerstag, 23. Dezember 2010

Nachträge Nr.1

Es ist ja nun nicht so, als würde hier, abgesehen von ein paar Ausflügen, nichts passieren. Es ist in letzter Zeit ziemlich oft Stromausfall und wenn man dann doch mal ins Internet gehen kann, macht man dann meistens doch etwas anderes als Blogeinträge zu posten. Aber ich will euch trotzdem auf dem Laufenden halten und so habe ich ein paar kleine Alltagsgeschichten gesammelt. Dies ist der erste Teil dieser Sammlung.

Kakerlakenalarm
Eines Tages im November hat einige gewisse Spezies recht unangenehmer Insekten unseren kompletten Tagesplan umgeworfen. Am Morgen wurden unsere Bäder geputzt und da der Abfluss der Dusche in Sarahs Zimmer verstopft war, hat der Cleaner die nur mit Steinplatten abgedeckte Abflussrinne gesäubert. Etwa zehn Minuten später habe ich am Rand eines Abflussdeckels im Hof vor unseren Zimmern etwa 7-8 Kakerlaken entdeckt, die versuchten, an die Oberfläche zu gelangen. Sofort haben wir die Kakerlakengiftkreide benutzt, um sie daran zu hindern. Eine Minute später stürmten plötzlich unglaublich viele Kakerlaken an die Oberfläche und rannten in Richtung unserer Zimmer. Nach etwas Panik und Geschrei sind wir schnell zu Kerstin gelaufen, um sie um Rat zu bitten. Ihre erste Reaktion war ein herzhaftes Lachen und der Kommentar: "Willkommen in Indien!" Sie hat uns zum Campus Administration Office geschickt, um Hilfe zu bekommen. Dort hat man uns lediglich ein Insektenspray gegeben, was uns dann doch etwas enttäuscht hat... Zurück im Hof vor unseren Zimmern haben wir aber erleichtert entdeckt, dass das Kakerlakengift doch seine Wirkung nicht verfehlt hatte, denn die allermeisten der Tiere waren entweder tot oder lagen in ihren letzten Zügen. Also haben wir die nächsten Stunden damit verbracht, mitten in der Hitze tote Kakerlaken einzusammeln und lebende zu töten, unsere Zimmer nach ungebetenen Besuchern abzusuchen und zum Schluss alle eingesammelten Tiere zu zählen und ein hübsches Abschiedsfoto zu machen. Es waren übrigens 80...

Divali
Im November wurde Divali gefeiert. Divali ist ein großes hinduistisches Fest, zu dessen Hintergrund es, wie bei vielem hier, mehrere verschiedene Geschichten gibt. Eine davon geht in etwa so:
Es war einmal ein Daemonenönig namens Ravana, der gegen die Brahmanen im Tempel aufbegehrte und gegen sie kämpfte. Um die Brahmanen zu rächen und die Verehrung der Götter zu beschützen kam Rama und besiegte den König und stieß ihn in die Dunkelheit. Zum Dank dafür feierten die Menschen Rama mit vielen Lichtern.
Hier am TTS, wo man einen Fokus auf die Befreiung der Dalits setzt, wird diese Geschichte so interpretiert, dass dieser König eigentlich ein Dalit war und ein früher Kämpfer gegen Kastenungerechtigkeit. Und deswegen wird dieses Fest hier nicht gefeiert, im Gegensatz zu anderen hinduistischen Festen, bei denen man sich nicht aus der Gemeinschaft mit Andersgläubigen zurückzieht.
Divali wird mit vielen Lichtern und vor allem Feuerwerk gefeiert. Und so hatten wir hier in Madurai ein verfrühtes Silvester und tagelang Lärm, aber auch Freude am Feuerwerk. Die Freude wird allerdings getrübt, wenn man bedenkt, dass die Feuerwerkskörper unter schlimmen Bedingungen von Kindern hergestellt werden, was extrem gefährlich ist. Zur Tradition gehoert es auch, dass jeder neue Kleider fuer Divali kauft.
An einem der Divali-Feiertage sind wir deutschen Mädels ins Madurai Residency, ein schönes Rooftop-Restaurant gegangen. Zumindest hatten wir das vor, denn die Dachterrasse war geschlossen. Auf dem Weg dorthin wurden wir bis auf die Knochen nass geregnet und die Kreuzung, die wir zu Fuß überqueren mussten, war so geflutet, dass wir bis zu den Knien im Wasser waren. Zwischen Autos, Bussen und Rikshas, sowie anderen pitschnassen Fußgängern hindurch haben wir, die Hosen hochgekrempelt, uns einen Weg gebahnt, lachend und auch etwas ängstlich, weil man ständig mit den Beinen irgendetwas im Wasser schwimmendes berührte, was man nicht identifizieren konnte und auch, weil man jeden Moment die Schuhe auf Nimmerwiedersehen in den Fluten verlieren konnte. Da das Restaurant zu war und wir den Weg nicht umsonst gegangen sein wollten, sind wir in die Hotelbar im Keller gegangen, in der ausschließlich Alkohol serviert wird, in der ausschließlich Männer saßen (bis auf ein paar Touris zu Beginn) und wo die Klimaanlage uns pitschnasse Mädels ordentlich zum Zittern gebracht hat.
Abgesehen von solchen lustigen Begebenheiten, hat der Monsun, der dieses Jahr besonders stark ist und besonders lang andauert, für viele Menschen ganz andere, teils verheerende Folgen. Ein Student erzählte mir zum Beispiel, dass seine Schwester und ihr Mann nicht mehr in ihr Haus kommen, weil es mittlerweile von einem kleinen See umgeben ist, und das ist noch harmlos. Zur Info und Übersicht hier ein Link zu einem Artikel der indischen Zeitschrift „Frontline“ mit dem Titel „Monsoon Misery“:
http://www.frontline.in/stories/20101231272602900.htm
ueberschwemmte Strasse


Man beachte das Plakat im Hintergrund: Eine indische Frau mit Zigarette und Alkohol! Skandal!


Reihenweise Geburtstage
Bisher haben wir gemeinsam 3 Geburtstage gefeiert, die alle sehr lustig, aber (leider?) auch sehr deutsch waren, was, wie ich gestehen muss, vor allem an unserem Bedürfnis lag, Alkohol zu trinken. Der erste Geburtstag war Anfang November und nicht der eines unserer deutschen Mädels, sondern der unseres Freundes Rajasingh. (Zur Erinnerung: Er war mein Übersetzer auf der Interfaith Dialogue Exposure.) Rajasingh ist in vielen Bereichen etwas liberaler eingestellt, als die meisten Studenten hier am TTS, was wohl unter anderem daran liegt, dass er nicht aus einem Dorf oder einer Kleinstadt kommt, sondern aus Bangalore. Wir haben in Sarahs Zimmer zusammen gesessen, geredet, Musik gehört, gefeiert eben. Und um Mitternacht gab es Torte, Wunderkerzen, ein Ständchen, auf Deutsch natürlich (Wie schön, dass du geboren bist), und ein paar kleine Geschenke.


Mitte November haben wir, nur unter Deutschen, diesmal auch mit den beiden Freiwilligen bei Peoples Watch, Lisas Geburtstag im Haus der Freiwilligen gefeiert. Recht ausgelassen…







Und dann war da noch mein Geburtstag, in den wir zuerst reingefeiert haben. Ich habe ganz wunderschöne, liebevolle Geschenke bekommen und natürlich – ihr kennt mich – geweint. Am nächsten Tag wollte ich mit Studenten vom TTS Tee trinken gehen. Schon eine Woche vorher habe ich ganz viele eingeladen, sofern sie noch nicht nach Hause fahren würden, da der 17. der letzte Unitag vor den Weihnachtsferien war. Und dann war ich so blöd, nicht zu checken, dass am Samstag die Mensa schon geschlossen war und ich dann nicht mehr die Gelegenheit haben würde, allen Bescheid zu sagen, wann und wo genau wir uns treffen. Am Ende waren dann also nur zwei Studenten dabei. Die aber sehr, sehr lieb sind und mir sogar etwas Kleines geschenkt haben. Anschließend hab ich Spaghetti mit Tomatensauce gekocht und als Überraschung eine unglaublich leckere Schokotorte bekommen. Lecker!



Geburtstagskerzen

Diesen riesigen Luftballon habe ich bekommen.

Tanzen

meine Torte

Es gibt noch so einiges, was ich bisher noch nicht berichtet habe, aber ich verspreche, das nachzuholen! Jetzt geht es erst mal in die Weihnachtsferien und somit ins große Abenteuer. Sarah und ich haben einige Stationen auf unserer Reiseroute, auf den meisten davon besuchen wir Studenten vom TTS. Auch heute Nacht sind wir schon von einer kleinen Reise mit unglaublich vielen bereichernden, prägenden Eindrücken zurückgekommen und bereiten uns auf die nächste Tour vor. Aber davon später. Ich wünsche euch bis dahin allen ein wunderschönes Weihnachtsfest und ein frohes neues Jahr! Hebt ein Bisschen Schnee für mich auf, dann bring ich euch auch etwas Sonne mit.
kleiner Vorgeschmack auf den naechsten Eintrag: Sarah und ich in Mamalapuram