Montag, 31. Januar 2011

2 Welten – Part 1

 
Etwas verspätet berichte ich heute von einigen wunderschönen Tagen kurz vor Weihnachten, in denen Sarah und ich Freunde besucht haben. Zuerst waren wir bei einem Ehepaar der upper middle class, dann bei einem Freund vom TTS und seiner Familie in dem kleinsten Dorf, das ich jemals gesehen habe. Zwei sehr unterschiedliche Erfahrungen, und doch hatten sie eines gemeinsam: Wir wurden von beiden Familien als gute Freunde empfangen und willkommen geheißen. 
In diesem Eintrag werde ich nur über unseren ersten Besuch schreiben, damit ihr die Eindrücke erstmal sacken lassen könnt. Bald folgt der zweite Teil. Versprochen!

Am 20.12. spät abends sind Sarah und ich mit dem Zug nach Chengalpatthu gefahren, um Amarendra und Aruna in Anupuram zu besuchen. Amarendra arbeitet am Indira Gandhi Research Centre als Atomphysiker und ist ein Kollege von Sarahs Vater. Sarah hatte das Ehepaar aus Hyderabad schon einmal in Madurai getroffen und nun war sie eingeladen und durfte mich mitbringen.
unsere Schlafplaetze im Zug

Für den Zug hatten wir 2nd class A/C sleeper-Tickets, was sehr komfortabel und angenehm war. Besser als die 1st class-Plätze auf meiner Tour nach Varkala, wo man ständig Besuch von Mäusen oder Käfern hatte. Aber das hängt wahrscheinlich vom Zug ab… Unser Zug kam am frühen Morgen mit mehr als einer Stunde Verspätung in Chengalpatthu an. Wir wurden von Amarendra am Bahnhof mit dem Auto abgeholt und zu ihm nach Hause gefahren. Dort haben wir seine Frau Aruna kennengelernt, die pensionierte Grundschullehrerin ist. 
Nach einem guten Idli- und Dosai-Frühstück ist Amarendra zu einem Meeting gefahren. Aruna hat uns ihren schönen Garten gezeigt und dann sind wir zusammen mit ihrer Nachbarin mit dem Taxi nach Mamalapuram gefahren. 
Amarendras und Arunas Haus

Sarah im Garten

 
Mamalapuram ist ein sehr schoener Ort direkt am Meer. Es gibt dort viele sehr interessante archaeologische Funde. Der tempelbezirk ist auch UNESCO-Weltkulturerbe.
Zuerst waren wir am Shore-Tempel, dann haben Sarah und ich zum ersten Mal eine Kokosnuss gegessen und getrunken, anschließend haben wir die 5 Rathas gesehen und dann waren wir am großen Felsenrelief und bei „Krishnas Butterball“. Die Höhlen haben Sarah und ich alleine erklommen. Die beiden Frauen waren sehr, sehr nett und lustig und haben viele Fotos von und mit uns gemacht.
am Shore-Tempel



Arunas Nachbarin und ich mit Kokosnuss
bei den 5 Rathas



das grosse Felsenrelief



"Krishnas Butterball"






Arunas Nachbarin ist eine sehr lustige und liebenswerte Frau, noch ziemlich jung und kinderlos. Sie ist mit einem Physiker verheiratet, weshalb die beiden auch in Anupuram leben. Anupuram ist nämlich ein „Atomic Energy Township“, das extra für die Mitarbeiter des Research Centers gebaut wurde; sauber, ruhig, wohlhabend, nett und ordentlich. So hatte ich Indien bisher noch nicht gesehen. Arunas Nachbarin ist studierte Zoologin, bekommt aber in der Gegend, wo sie wohnen, keinen Job. Also ist sie zuhause, sorgt für ihren Mann (Er hat einige Zeit in Dresden gelebt und gearbeitet und sie ist mit ihm gekommen, weil er Vegetarier ist und nicht kochen kann.). Sie arbeitet ein wenig nebenher, aber ich hatte schon den Eindruck, dass sie ziemlich unterfordert ist und dass ihr Potenzial dort verschwendet wird.
Nach unserem Ausflug hat Aruna uns sehr leckere Sandwiches gemacht und dann haben wir erstmal eine Runde geschlafen. Dann gab es Abendbrot mit Amarendra und einen netten Abendspaziergang durch Anupuram.
Am nächsten Morgen sind wir mit Amarendra ans Meer gefahren und in die Siedlung, in der die beiden vorher Jahre lang gewohnt hatten. Diese Gegend war im Dezember 2004 vom Tsunami betroffen gewesen. Die Dörfer, durch die wir gefahren sind, haben davon auch noch immer Zeugnis gegeben, doch die benachbarten Regierungstownships waren komplett wieder aufgebaut. Dieses Township war noch erstaunlicher als Anupuram: Ich habe mich an US-amerikanische Vorstadtorte erinnert gefühlt. Nett, sauber und ruhig. Nur die Teashops und die Menschen verrieten, wo man war.
im Atomic Energy Township

Amarendra und Sarah

Amarendra und ich

Amarendra und Aruna sind Hindus. Amarendra war sehr offen, was seinen Glauben angeht, auch wenn er alles sehr allgemein ausgedrückt hat. Er hat für uns Skizzen gemalt über die verschiedenen Götter und in welcher Beziehung sie zueinander stehen und viel darüber erzählt, was Religion für ihn bedeutet. Er sagte, Religion, gleich welche, gebe uns Werte und moralische Orientierung, was wichtig für ein verantwortungsvolles Leben sei. Manche Menschen trügen dieses tiefe Wissen von Gut und Böse in sich, sagt er, und diese seltenen Menschen bräuchten keine Religion. Er hat das mit folgender Beispielgeschichte erklärt:
Wenn du auf der Straße Geld findest, das jemand verloren hat, denkst du automatisch: Das will ich haben! Du hast ein Bedürfnis, es zu behalten und für dich selbst auszugeben. Aber durch deine Religion weißt du, das ist nicht richtig, es wäre eigentlich gut, wenn ich es zurückgebe oder spende oder etwas in der Art. Und du weißt, deine Entscheidung bleibt nicht unbeobachtet und hat Konsequenzen. Deswegen tust du das Richtige.
Ich finde, das zeugt von einem recht negativen Menschenbild. Wir brauchen Kontrolle, um gut zu sein? Vielleicht hat er in gewisser Weise Recht. Auf jeden Fall finde ich aber, das man auch ohne Religion (im engeren Sinne) ein moralisches Empfinden haben kann, auch andere Dinge geben Werteorientierung.
Amarendra hat sehr viele Bilder und Figuren von Ganesha zuhause, in allen möglichen Formen, Farben und Größen. Er sagt, das sei so eine Angewohnheit, er sammle sie eben und Ganesha solle auch alle Hindernisse aus dem Weg räumen.
Ganesha

Ganesha
Ganesha


Aruna hat einen kleinen Hausaltar mit Göttinnenbildern. Sie sagt, die Göttin habe viele Namen und Gesichter. Und es gibt in dem Haus einen kleinen Extraraum mit Altar. Dort findet man Bilder der Göttin, von Tempeln und vor allem von Arunas Guru, Sathya Sai Bhaba. Als ich sie gefragt habe, warum sie diesen Guru gewählt habe, sagte sie, dass 1. schon ihr Vater diesem Guru gefolgt sei, und 2. dass sie von vielen gehört habe, dass er helfen könne und dass Wunder geschehen.

Sathya Sai Baba

Amarendra und Aruna haben auch einen Sohn in unserem Alter, der jetzt in London studiert. Er ist das einzige Kind seiner Eltern. Die Eltern hatten eine arrangierte Heirat, mit Horoskop und allem drum und dran. Ihr Sohn sagt aber, er sei doch nicht dumm und wolle seine Frau selbst aussuchen. Für die beiden ist das ok. Ungefähr 90% aller Ehen in Indien sind arrangiert. Das Konzept von Ehe, das sich damit verbindet ist mir natürlich sehr fremd, aber es ist interessant, darüber nachzudenken und mit den Menschen darüber zu reden. Immerhin ist unsere Vorstellung von Ehe auch nicht vom Himmel gefallen, sondern wir sind geprägt, hauptsächlich von Konzepten aus dem 19. Jahrhundert. Auch in Indien gibt es etwas wie Liebesheirat, was in den Filmen es sehr präsent ist. Trotzdem ist es meist anders als wir es kennen, so wie ich das hier mitbekomme. Oft können die Paare nicht wirklich vor der Ehe zusammenleben und sich kennenlernen. Aber das ist auch nur ein Eindruck, den ich bis jetzt bekommen habe.
Der Abschied von Amarendra und Aruna nach unserem kurzen Ausflug zum Strand war sehr herzlich. Wir haben kleine Geschenke und Emailadressen ausgetauscht und nette Dinge gesagt. Die beiden haben zu uns gesagt, dass sie nun zwei Töchter hätten und wir immer willkommen bei Ihnen seien. Ich habe die 2 Tage bei ihnen sehr genossen. Das gute Essen, die netten Gespräche und all die Dinge, die wir gesehen haben, haben mich sehr bereichert.

Mittwoch, 5. Januar 2011

Nachtrag 2: Varkala

 
Jetzt hab ich doch tatsächlich vergessen, von einer meiner kleinen Reisen zu berichten. 
Im November bin ich mit Anne und Elisa, den deutschen Freiwilligen bei Peoples Watch, nach Varkala gefahren. Varkala liegt an der Küste der Arabischen See in Kerala, dem westlichen Nachbarstaat Tamil Nadus, und ist eigentlich ein wichtiger vishnuitischer Pilgerort. Davon habe ich allerdings herzlich wenig mitbekommen, denn der Ort ist überfüllt mit Touristen und vor allem in Strandnähe ist auch alles auf westliche Touristen ausgelegt. 
 

Die Strandpromenade ist gesäumt von Souvenirgeschäften, in denen alles teurer ist als normal - auch mit Feilschen – und mit Restaurants, die alles anbieten, was das heimwehgeplagte Herz des Europäers oder Nordamerikaners wünscht. Heimwehgeplagt war ich jetzt eigentlich nicht unbedingt, aber Obstsalat mit Joghurt, Sandwiches, Omelette, Pizza, Bier und Cocktails sind dann doch sehr verlockend gewesen. Besonders anziehend für uns waren diejenigen Cafés, die sich German Bakery schimpfen und so wunderbare Dinge anbieten wie Schokocroissants, Apfelstrudel, Zimtschnecken, Milchkaffee, Espresso und Müsli.
Laeden an der Strandpromenade

lecker Fruehstueck

Cocktail

Ebenfalls sehr schön ist, dass man in Varkala im Meer baden gehen kann. Es war der erste Ort, den ich Indien besucht habe, wo man im Bikini baden gehen konnte. Der schöne saubere Sandstrand liegt unterhalb der Klippen, auf denen die Geschäfte und Restaurants liegen. Übrigens war das das erste und letzte Mal, dass ich im Jahr 2010 im Freien baden war.
 

Elisa am Strand

An unserem zweiten und letzten Tag hat sich Anne noch eine Portion Entspannung am Strand gegönnt und Elisa und ich sind zum Jayanata Swamy Tempel gefahren, der tatsächlich fast komplett menschenleer war. Kein einziger Touri. Der Tempel ist klein, aber sehr schön. Er liegt auf einer Anhöhe, von der aus man einen schönen Blick auf den Temepelteich hat. Hier ein paar Eindrücke:







der Tempelteich

Das Wochenende in Varkala war wirklich sehr schön, eine nette Abwechslung und auch entspannend. Allerdings war mir der Ort einfach zu touristisch und alles war viel zu sehr auf den westlichen Geschmack und westliche Gewohnheiten ausgelegt. Das Kerala Style Fish Curry, das ich dort gegessen hab, hat geschmeckt wie in einem indischen Restaurant in Deutschland. Es hat dort kaum noch einen Unterschied gemacht, ob man in der Karibik, an der Adria oder in Indien ist und dafür ist mir meine Zeit hier einfach zu schade. Für Pizza und baden gehen muss ich nicht nach Indien kommen. Und außerdem macht die lange Zugfahrt die Entspannung sowieso gleich wieder zunichte.